Schnitzen ist Therapie für Körper und Seele
Von DIRK WEBER
DINSLAKEN-HIESFELD. Am Anfang ist es ein grober, nichts sagender Klotz. Ein HoIz, weich wie das von Linde, Ahorn und Zirbelkiefer. Mit einer Stichsäge wird der "Brocken" meist gestutzt und danach mit einem Messer Span für Span abgetragen. Das Ergebnis gab's am Wochenende im Mühlenmuseum Hiesfeld zu bestaunen.
Über 230 Messer hat Rudolf Hartmann von den Bruckhausener Hobbyschnitzen "Span für Span" in seinem Besitz, was in etwa der Hälfte aller verfügbaren Größen und Stiche entspricht. Darunter Schütz- und Kerbschnitzmesser für die Relief- und Kerbschnitzerei. Letztere sehen aus wie normale Küchenmesser, mit dem Unterschied, "dass wohl kein Chirurg ein schärferes Skalpell besitzt". Also Vorsicht. "Ein Schnitzmesser ist dann erst richtig scharf, wenn man sich damit die Härchen am Arm wegrasieren kann", erzählt Michael Poss. Für Hartmann sind das "alte Märchen". "Hauptsache, der Schnitt ist spiegelblank", was er an den halbfertigen "Begrüßungsenten" aus Lindenbohlen demon striert. Sauber schneidet die Klinge in das Holz und schiebt einige spiralförmige Späne vor sich her. Mit einem stumpfen Messer wäre das Material vermutlich gerissen oder abgeplatzt.
Glatte Schnitte
Orientieren können sich die Schnitzer dabei an der Maserung, "Niemals gegen die Faser schneiden, immer mit", erklärt Hartmann, "sonst bricht das Holz oder es franst aus." Anhand der Jahresringe könne er sehen, wie das Holz läuft und so einen "glatten Schnitt" setzen, vorausgesetzt, es gibt keine Wirbel. Schnell wachsende Hölzer sind Gift für den Schnitzer, weil: gröber und deshalb schwerer zu bearbeiten. Fichte und Tanne zum Beispiel sind spröde und trocken und platzen leichter auseinander. Deshalb greifen die Schnitzer lieber zu den weichen Hölzern. "Ich werfe auch keine alten Bretter weg", erzählt Hartmann. Es sei sogar schon vorgekommen, dass er Holz von der Straße mit nach Hause gebracht hätte, um daraus eine Figur zu schnitzen. Bis unters Dach reicht inszwischen der Vorrat: "Ein richtiges Lager habe ich in der Garäge , trocken und luftig, damit das Holz nicht vermodert."
Viele der größeren Exponate im Mühlenmuseum sind geleimt, bestehen aus mehreren Bohlen, damit das Holz nicht reißt, wenn man es bearbeitet. Wie eine aufwändige Krippenarbeit, in die Hartmann mehr als 200 Arbeitsstunden investieren musste. "Da muss man aufpassen, dass man nicht verrückt wird, von der ganzen Fummelei. Dann braucht man Abstand. " Aber die Liebe zu Arbeit und zum Material sind stärker. Am nächsten Tag macht man weiter". Holz sei eben etwas Sinnliches, "e?s lebt in der Hand". Und das sagt ein Schlosser. "Schnitzen ist Therapie für Körper und Seele. Kein Geduldsspiel." Obwohl Jürgen Roehl von Zeit zu Zeit schon mal die Krise kriegt, wenn er ein Stück Holz sieht, so völlig nackt und unbearbeitet. "Aber wenn man weiß, was am Ende dabei rauskommt, dann ist es die Arbeit wert." Kurt Altena, Vorsitzender des Hiesfelder Mühlenvereins, war so fasziniert von den Reliefs und den Kripp?en, den Figuren und Schnittbögen, dass er die Hünxer unbedingt für eine Ausstellung gewinnen wollte. "Diese Menschen sind keine Hobbyschnitzer, sondern Spezialisten. Eine Ausstellung wie die, hätte genauso gut in Duisburg, Düsseldorf oder Köln stattfinden können"